von Jörg Becker
Die Welt des Films – für Ken Adam ist sie nie eine nur abgebildete, sondern immer eine transformierte Realität von Flächen und Räumen gewesen. Als Art Director beziehungsweise Production Designer gleichsam Komponist ihrer Eigenheiten, verwandelte er Landschaften, Bauten und Interieurs in Spielfelder und Filmvisionen.
Im Vorfeld aller Entwurfsstadien, die ein Filmset im Verlauf seiner Realisierung durchläuft, insbesondere den Skizzen, in denen sich Raumkörper und die Dimensionalität eines Sets andeuten, steht oft die Fotografie: Gemeint sind die ersten Aufnahmen des einen Drehort suchenden Auges bei der Recherche nach einem Ort für die Filmerzählung. Fotografisch fixierte mögliche Originalschauplätze dienen als Impulsgeber und zugleich Vorbilder für Szenengestaltungen und Studiokulissen, sie bilden einen Fundus der Fantasie für einen potenziellen zukünftigen Film.
„Nighthawks“ in PENNIES FROM HEAVEN
Eine herausragende Rolle in Ken Adams fotografischer Sammlung spielen die Abbildungen vom Entstehungsprozess des Films PENNIES FROM HEAVEN (US 1981, Regie: Herbert Ross) – eines Werks, das die Genrekonventionen des klassischen MGM-Musicals „gegen den Strich bürstete“. Von der ursprünglich im Londoner East End und in der südenglischen Provinz situierten britischen TV-Version, einem achtstündigen BBC-Serial von Dennis Potter mit Bob Hoskins in der Hauptrolle, ins Chicago des Jahres 1934 transponiert, ist der Musicalfilm in der Phase der Great Depression der Vereinigten Staaten angesiedelt. Kein Zukunftsoptimismus hebt die Erzählung aus einer düsteren Gegenwart heraus, die der Film jedoch in Abständen mit Bildern aus einem inneren Reich der Wünsche kollidieren lässt: Überraschend einsetzende opulente Tagtraumsequenzen in Gestalt von Musical-Glamour-Elementen – eine Referenz an die Choreografien Busby Berkeleys1 – unterbrechen die ernüchternde Handlung mit getanzten Fantasien und lippensynchron aufgeführten Songs. Der Sprung, dieser immer wieder abrupte, überraschende Wechsel zwischen Tag und Traum, war womöglich die größte Herausforderung für das Design ebenso wie für die Regie.
Ken Adam, der jedes einzelne Set entwarf, aber wegen Streitigkeiten zwischen den Ost- und Westküsten-Berufsverbänden nur als „Associate Producer“ beziehungsweise am unteren Ende der Credits als „Visual Consultant“ geführt wurde, war komplett verantwortlich für den außergewöhnlichen Look des Films, der als Hommage an Chorus Girls und Song-and-Dance-Men eine „stilisierte Mythologie der Depressionszeit“ vermittelt, so die Filmkritikerin Pauline Kael. Entscheidend war die Prägung durch Zeitkolorit, das subtile Erfassen einer Atmosphäre, die Adam nicht nur durch zeitgenössische Fotografie der 1930er Jahre (etwa Paul Strand), sondern auch über einzelne auf Anhieb wiedererkennbare Motive zeitgenössischer Maler auferstehen ließ (Edward Hopper: „New York Movie“, 1939, und „Nighthawks“, 1942 oder Reginald Marsh: „Hudson Bay Fur Company“, 1932), welche er minutiös in seine Studio-Sets übertrug. Detailgenau dokumentiert lassen sich die Realisierungsstadien von Adams Entwürfen angesichts seiner Fotosammlung vor Augen führen – in farbstarken Miniaturmodellen und den Stills von fertiggestellten, vereinzelt leeren, bisweilen von Studioarbeitern bevölkerten Sets, die aus den urbanen Tiefen eines Vorkriegs-Chicagos übertragen scheinen. Ken Adam verwendet Zitate der Zeit, authentische Bildquellen zu seinen Sets zu PENNIES FROM HEAVEN – so etwa in der Szene im „Roadhouse“ mit Blick auf den Tresen, vor dem Christopher Walken eine Tanznummer darbietet. Adams Set Stills heben die enorm aufwendige kleinteilige Ausstattung des period picture hervor, sichtbar etwa auf den Fotos vom Innenraum eines Musikgeschäfts, eines Farmhauses und insbesondere auf den Bildern von der Wohnung der Hauptfigur Arthur (Steve Martin) bis ins Detail des zeitgenössischen Utensilieninhalts eines Toilettenschränkchens im kargen Badezimmer.
Neben Zitaten aus einem Fred-Astaire-Film (FOLLOW THE FLEET, US 1936, Regie: Mark Sandrich) und überhöhenden Art-déco-Raumgestaltungen eines Bankgebäudes kommen in Adams Räumen Eindrücke zur Geltung, die er sich selbst vor Ort in Chicago und anderswo in Illinois verschafft und fotografisch festgehalten hat – viktorianische Townhouses etwa, die typischen Feuertreppen an Mietshäusern, Wassertanks auf den Dächern oder die Vielfalt an Reklameschildern vor den Shops der armen Stadtviertel. Zu sehen sind Kleinstadt-Locations des Mittleren Westens, durch die Arthur als Musikalienvertreter reist, teilweise aus panoramabreit aneinandergeklebten Einzelbildformaten komponiert, teilweise auch mit präzisem Augenmerk auf die möglichen Kameragegenschüsse (Ken Adam schrieb darüber: „Poss. Sites“) einer Straßenszene abgebildet. Offenbar war Adam daran interessiert, das Kamera-Off eines Ortes, wo der historische Ausdruck es erlaubt, auf mögliche Reverse-Angles gleichsam abzutasten. Was das pure Ausmaß der horizontalen Anordnung von Einzelfotos betrifft, so dürfte ein Straßenpanorama in Adams Sammlung unübertroffen sein: Es bildet ein gefundenes zeitatmosphärisch kohärentes Areal ab, an dem Handlungsorte notiert sind – unter dem Titel: „Arthur drives into town on upper street“.
Das Chicago-Set
In Vorbereitung des Films hatte Ken Adam Tage in Chicago und Umgebung verbracht und dort alle Hauptschauplätze für den Film gefunden. Doch schließlich entschied der Regisseur, die gesamte Stadtsequenz im Studio zu drehen, sodass die Chicago Street auf der Basis seiner Vor-Ort-Studien von Ken Adam in einem MGM-Studio realisiert wurde. Super-8- und 16-mm-Filmmaterial, das Ken Adam auf seiner Location-Suche belichtet hatte, zeigt Einstellungen in die Tiefen der Straßenschluchten und Vertikalschwenks aufwärts zu hohen Gebäuden, eine dichte Abfolge mehrstöckiger Mietshäuser, auch kleiner Läden, Schaufenster und Reklameschilder. Adam dokumentierte mögliche Real-Sets: Parkplätze, Verkehrsunterführungen und verlassene Straßenzüge – abgelegene, etwas triste, verödete Gegenden. Insbesondere dem Stadtraum unter der Chicagoer Hochbahn, den Straßen unter den Bahntrassen, galt Adams Hauptaugenmerk, jenen eng umgrenzten, von wenig Himmelsausblick erhellten Straßenzügen und Kreuzungen unter erdrückenden Stahlkonstruktionen.
Diese Recherchen zu PENNIES FROM HEAVEN führten Ken Adam zur Chicago Elevated, der Hochbahn der Chicago Transit Authority, die mit ihrer Trassenführung den innerstädtischen Raum geprägt hat. Ein geduckter, versteckter, zwischen massivem Tragwerk unter die Hochbahngleise gedrückter Raum ist so entstanden – „The El Street“. Unter den vielen kleinen Läden befindet sich dort auch das Plattengeschäft, das Arthur eröffnen wird, zu sehen ebenfalls aus der Bar an der Straßenecke, einem Motiv, zu dem Edward Hoppers Gemälde „Nighthawks“ als Vorbild diente. Mit der Malerei von Hopper und March sind zeitgenössische New Yorker Motive in das „Depressionsmusical“ eingegangen. In einem Szenenbild geben ikonische Fotografien, die Walker Evans während der 1930er Jahre in den Vereinigten Staaten aufgenommen hat, eine die Atmosphäre treffende Hintergrundcollage für eine Tanzszene ab.
Das zentrale Set unter der Elevated Railway, die „El Street“, hat Ken Adam mit einer Fülle an Fotografien vom Modell dokumentiert – von den detailliert ausgemalten Kulissen, die sowohl aus Augenhöhe der Passanten als auch vom leicht erhöhten Standpunkt von der Ebene des Hochbahnsteigs aus in panoramatischer Breite der Geschäftsfassaden abgebildet sind, bis hin zum fertiggestellten Kulissenbau in den Studios von Metro-Goldwyn-Mayer. Während der verschiedenen Stadien der Realisierung des Sets – von der Miniatur des Arbeitsmodells hin zur exakten Ausformulierung der Häuserfront – steigert sich der Detailreichtum der Szenerie. Neonlicht und Werbeflächen bestimmen die rotgefärbte Fassung des Modells, während die Ladenfenster- und Fassaden-Feinmalerei die Aufmerksamkeit aufs Einzelne lenkt – die Aufschriften etwa, mit denen sich die Gewerbebranchen am Ort ausstellen, der durch die vergangenen Jahrzehnte unterschiedlich abgenutzte, farbchangierende Verputz in ineinander übergehenden Patinatönen bis hin zu verwahrlosten Ecken, dunklen Nischen und rohem Mauerwerk. Ein „Hotel Men Only“ befindet sich neben dem „Tattoo Studio“, es folgt ein „Sanitary Barber“ und der „Clean Towel Shop“, dann wieder ein „Hotel“, ein „Glasses“-Schaufenster, gefolgt von „Painless Dentist Teeth“ und der „Hippodrom Employment Agency“, bis schließlich am Bildrand im Anschnitt jenes Café erscheint, das aus Hoppers „Nighthawks“-Gemälde zitiert ist. Gleich einer Projektion im dunklen Kinosaal leuchtet der kunstlichterfüllte Binnenraum ins nächtliche Ambiente.
In Schwarz-Weiß-Fotografien von den Sets offenbart Ken Adams Szenenbild in nächtlicher Ausleuchtung seine Noir-Perfektion: Scheinwerferlicht fällt vom oberen Bahnsteig auf nassen Asphalt; die Stahlkonstruktion der Brückenverstrebungen füllt die obere Hälfte des Bildausschnitts; in einer Nische zwischen den ramponierten Geschäftsfassaden der El Street liegt versteckt ein kahler Eingang zu einer Bar; seitlich an der Mauer endet die Vertikale einer Feuertreppe. Die durch die Stahlpfeiler der Bahntrasse aufgenommenen Schaufenster des „Record Store“, von dessen Besitz der Held träumt und sich sein Glück erhofft, spiegeln sich in den Pfützen der Straße; in der Nachbarschaft hat sich ein „deutsches Wurstgeschäft“ etabliert, vom „Chop Suey“-Lokal nur durch die unscheinbare Hausfassade eines Speditionsbetriebs namens „Illinois Trucking Serving the Midwest“ getrennt; seitlich der Fleischerei vermag der Betrachter bei genauem Hinsehen eine weitere Gewerbeaufschrift zu entziffern: „Reliable Hebrew – Religious Books“. Dieses „Chicago-Set“, am authentischen Ort recherchiert, bildet einen eigenen, alle entdeckten Reminiszenzen der Depressionszeit in Chicago übersteigenden Schauplatz, dessen enorme Ausdifferenzierung in PENNIES FROM HEAVEN selbst oft seltsam abseits bleibt. Und so stellt Ken Adams Set-Design gegenüber dem filmischen Ergebnis einen deutlichen Überschuss dar, eine luxurierende Ebene der Produktion.
Ohne Schauplatz keine Handlung
„Schauplätze sind solche Orte, an denen eine Handlung stattfindet oder vielleicht auch nicht stattfindet. 'Il y a lieu", heißt es im Französischen: es findet statt, es ereignet sich, es passiert. Oder auch nicht: 'il n'y a lieu' – es findet nicht statt. / Zusammengesetzt zu 'il n'y a lieu que le lieu' heißt es allerdings, daß nichts außer dem Schauplatz stattfindet. Mit anderen Worten, es gibt ohne den Schauplatz keine Handlung – ohne den Schauplatz kann sich nichts ereignen. In Wahrheit ist alles, was passiert, nur der Schauplatz. […] Ohne einen Schauplatz wird sich nichts ereignen. Es ist der Ort, der die Anwesenheit von Menschen erst vermittelt. Er bringt sie sozusagen auf die Welt, damit sie auf ihr handeln. / Das Wort 'Szene' drückt beides gewissermaßen in einem aus. Es bedeutet einerseits eine präzise räumliche Einheit, den vorgegebenen Ort, auf dem sich etwas abspielen kann, und andererseits bedeutet es die Einheit eines Geschehens, das sich zwischen den Personen der Handlung an diesem Ort abspielt. […]
Die Anwesenheit von Menschen an einem Ort ist grundsätzlich vorübergehend. Der Ort war vorher da, und er wird nachher bleiben. Die Figuren erscheinen auf ihm wie jene Schemen auf den Photographien von Atget, ihr Tun gewissermaßen aufprojiziert wie in einer Doppelbelichtung.“2
Seefahrerabenteuer auf dem Mittelmeer
Für CAPTAIN HORATIO HORNBLOWER R.N. (GB, US 1950, Regie: Raoul Walsh), den ersten Film, den ein Major Studio, genauer Warner, in Europa drehte, hatte sich Ken Adam als Assistent Art Director mit Kriegsschiffen der Napoleonischen Ära zu befassen und recherchierte zunächst wochenlang im National Maritime Museum in Greenwich. Man schickte ihn an die französische Mittelmeerküste; zu jener Zeit bestanden an der Riviera noch Chancen, ein Schiff jener Epoche ausfindig zu machen. An der spanischen Grenze erwarb Adam schließlich einen Dreimastschoner, „La France“, den er in Villefranche zu Hornblowers Flaggschiff aufbauen ließ, was seine „Construction Stills“ illustrieren. Nach diesem Original wurde ein etwa neun Meter großes Modell für die Becken in den Denham-Studios angefertigt. Ein erforderliches zweites Schiff, „Marie Annick“, konnte im alten Hafen von Marseille entdeckt werden, wo es vormals als Fähre illegaler Einwanderer nach Palästina gedient hatte. Ken Adams Fotos von der Überführung der historischen Segler von Nizza nach Ischia sind vereinzelt erzählerische Notizen an ihrem unteren Rand beigefügt. Das Augenmerk richtet sich etwa auf eine seekranke Katze an Bord, von ihr schwenkt das fotografische Auge aber immer wieder empor, richtet sich aufs Oberdeck, auf die Takelage und die Masten des Schoners. Die Attraktion, auf dem Mittelmeer gewissermaßen aus dem Vollen zu schöpfen, teilt sich auch aus den Fotos mit. Adam erinnerte sich: „In den Jahren 1949 und 1950 stieß man überall an der Riviera auf Amerikaner. Jack Warner hatte dort eine Villa gekauft und einer seiner Art Directors kam aus Hollywood angereist, um die Inneneinrichtung neu zu gestalten. Das gesellschaftliche Leben war fantastisch – wir waren umgeben von Filmstars und amüsierten uns prächtig. Tolle Nächte und Wochenenden in Haut de Cagnes."3
Jack Warner persönlich habe damals darauf bestanden, so Adam, dass die „La France“ sowie die „Marie Annick“, die beiden zentralen Requisiten der Produktion, nach Ischia segeln sollten, 600 Meilen entfernt. Als er über das Quarterdeck schritt, zwischen den Kanonen, habe er sich selbst gefühlt wie ein Pirat. Am Horizont kam der Vesuv in den Blick – und in Ischia, im Zielhafen, dann das schönste Mädchen der Insel: „Kaum in Ischia angekommen, fiel mir ein wunderschönes Mädchen mit langen blonden Haaren auf – also sorgte ich dafür, dass ich ihr auch auffiel. Ich habe mich sicher zwei bis drei Wochen um sie bemüht, bevor sie mit mir ausging. Ihr Name war Letizia Moauro.”4 Für THE CRIMSON PIRATE (US, GB 1952, Regie: Robert Siodmak) baute Adam einen Piratensegler entsprechend dem Vorbild seines HORNBLOWER-Schiffes „La France“. Drei Seefahrerfilme brachten Adam den Ruf eines Experten für historische Schiffe ein, denn er entwarf auch die eine (in Fumicino) gebaute Galeere für HELEN OF TROY (US, IT 1956, Regie: Robert Wise), eine von tausend Galeeren der griechischen Flotte.
Supertanker und Strombergs Interieur
Für den Bond-Film THE SPY WHO LOVED ME (GB, US 1977, Regie: Lewis Gilbert) hatte Ken Adam das Innere eines Großtankers – „Liparus“ – als zentralperspektivischen Kuppelraum entworfen, der durch gestaffelte Lichtbrechungen auf Metall- und Wasserflächen in eine dämmrige Beleuchtung getaucht war. Die Set Stills aus einer U-Boot-Station, verborgen im Inneren des Supertankers, zeigen eine trapezartige Bunkerform mit Gitterflächen an Wänden und Decken. Überwältigende Untersichten auf emporragende Eisenträger, Säulen sowie metallische Treppen- und Brückentransversalen forcieren den Eindruck von Schwere und hohen Druckverhältnissen.
Schwarz-weiße Set-Fotografien von Wohnräumen des größenwahnsinnigen Reeders Stromberg, Gegenspieler des Agenten James Bond, bringen die ganze zeitchaotische Diversität der Ausstattung zur Geltung, welcher das Ausmaß der Psychopathologie des megalomanen Bösewichts gleichsam anzusehen ist: Auf der Ebene des runden Tiefgeschosses, das über eine gläserne Freitreppe mit der sie umgebenden Empore verbunden ist, sind Antiquitäten – Kirchenfiguren, Holzsessel, Stehpult – mit Ölgemälden und dem unvermeidlichen Globus versammelt. Im oberen Geschoss wiederum scheinen die à la Collani gerundeten Sessel und ein Set aus weißem Mobiliar inklusive Standcomputer auf weißem Flokati-Teppich den Modernismus der Entstehungszeit dieses Bond-Abenteuers zu spiegeln. „Ich hatte viel Spaß mit der Innenausstattung, zum Beispiel bei Strombergs kreisrundem zweigeschossigen Apartment. [...] Auch hier habe ich experimentiert. Ich verwendete antike Möbel und Lampen im Untergeschoss und suchte für das Obergeschoss die modernsten Leuchten und Sofas aus, die ich finden konnte. Das Set stellte vor allem für die Stuckateure in den Pinewood Studios eine große Herausforderung dar, weil hier eine Rundung in die andere überging.”5
Die Außenaufnahmen des Tankers – eines der größten bis dahin gebauten Filmmodelle – wurden auf den Bahamas gefilmt, was in der fotografischen Sammlung Ken Adams in einer 16-teiligen Fotoanordnung festgehalten ist. Um zwischen Wellenhöhe und Tankergröße ein realistisches Größenverhältnis zu erreichen, war ein Modellausmaß von etwa 24 Metern erforderlich. „Das eigentliche Innere eines Supertankers ist in mehrere kleinere Abschnitte unterteilt, doch das macht es für einen Film uninteressant. Also entwarf ich drei Ebenen, die durch zwei nebeneinander verlaufende transparente Aufzüge zugänglich waren. Die oberste der drei Ebenen bestand aus einer Art Hängebrücke, die wie ein X geformt war, und alle Ebenen waren über Freitreppen miteinander verbunden. Wie schon gesagt: Damals habe ich zum ersten Mal strukturelle Elemente des Sets als Teil der Gesamtkomposition eingesetzt, um so eine optische Wirkung zu erzielen.”6
Das überdimensionale Innere dieses Tankers mit drei enthaltenen Nuklear-U-Booten wurde in den Pinewood Studios erbaut. Die Dimension des Sets führte zu Problemen der Ausleuchtung, so Adam zu Frayling, man habe eine Menge Unterstützung durch „Source Lighting“ gebraucht, also Lichtquellen innerhalb der Einstellung.7 Um dem Kameramann zur Seite zu stehen, habe er eines Tages Stanley Kubrick angerufen und den alten Freund, der ihn bei den Arbeiten an BARRY LYNDON (GB, US 1975) so erschöpft hatte, dass er eine weitere Zusammenarbeit mit Kubrick ausschloss, um Unterstützung gebeten („… you owe me something …“), was dieser zunächst ablehnte. Schließlich wurden sich die beiden doch einig, Kubrick begleitete Adam an einem Sonntagmorgen nach Pinewood, wo die beiden mehrere Stunden gemeinsam arbeiteten. Diese letzte gemeinsame Arbeit sollte ein Geheimnis bleiben. Die überlieferten Set Stills vom Tankerinneren dokumentieren womöglich die originale Lichtsetzung, die aus dieser Begegnung am Bond-Set hervorgegangen ist.
Ein Anti-Bond on location in London – THE IPCRESS FILE
Ken Adam schuf, fand und erfand Orte und Welten sowohl für 007, den Agenten Ihrer Majestät, James Bond, als auch für Sergeant Harry Palmer, der keineswegs als ein „poor man’s Bond“ (Ken Adam) in die Filmgeschichte einging. Stattdessen entschied man sich während der Vorbereitungen, Palmer als eine Art Gegen-Bond herauszustellen – „an anti-hero in a raincoat wandering around a rather dismal post-war London“. Der Spion aus der Arbeiterklasse, der Cockney-Akzent spricht, im Supermarkt einkauft, gern kocht, Mozart hört und aus Kurzsichtigkeit seine Brille nur zum Schlafen abnimmt, verkörpert, angelehnt an den Geist der Romanvorlage von Len Deighton (1962), eine realistische Alternative. Im Rückblick erscheint die Figur Harry Palmer für die damalige Zeit, die Mitte der Sixties, wie der Inbegriff von Coolness, was Palmers Charakterisierung und seiner Personalakten-vermerkten Neigung zur Insubordination ebenso zu verdanken ist wie dem exzellenten Reduktionismus der Spielweise Michael Caines.
Palmers erster Fall, THE IPCRESS FILE (GB 1965, Regie: Sidney J. Furie), entstand zu etwa 90 Prozent on location in London. Drehorte fand Ken Adam unter anderem westlich des Trafalgar Square (ein Apartment für das Büro des Chefs des Britischen Geheimdienstes MI5 mit Blick auf den Platz), in Belgravia, im St James´s Park und Hyde Park oder vor der Royal Albert Hall in Kensington (in der Nachbarschaft von Adams Wohnort in South Kensington). Gegen dieses viktorianische London steht Notting Hill. Die Wohngegend Harry Palmers galt damals eher als ärmlich, was sich angesichts der kurzen Außenszenen auch vermittelt.
Die Fotosammlung enthält im Originalnegativ 50 Fotos zu THE IPCRESS FILE. Zum größeren Teil sind sie das Ergebnis des Location Scouting in London, teils nehmen sie das Filmbild bereits vorweg: Unter der stählernen Dachkonstruktion einer Bahnhofshalle, manchmal mit Personen im Vordergrund der Bildtotalen als Maßstab, sind etwa sechs verschiedene Perspektiven auf einem Bahnsteig festgehalten, Schauplatz der Entführung eines systemrelevanten Atomphysikers eingangs des Films, darunter Einstellungen zwischen einem stehenden Zug und daneben sich türmendem Lastgut. Im Film finden sich diese fotografischen Recherche-Vorstufen aufgehoben in der Schwenkbewegung der Kamera in Richtung eines abfahrenden Zuges und weiter zur Seite, wo zwischen den gestapelten Gepäckstücken die Leiche des MI5-Leibwächters in den Bildausschnitt gerückt wird – eine elegante Ellipse überspringt einen Mord, nicht das einzige Mal in diesem Film. Daneben finden sich unterschiedliche Bildeinstellungen von jener Straßenkreuzung, an welcher der Kollege Palmers, Carswell, als er dem „Ipcress“-Phänomen auf die Spur gekommen ist, in Palmers Dienstwagen unterwegs beim Stopp vor der roten Ampel – ohne Geräusch, im Verkehr, wie in einer Reminiszenz an DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE (DE 1933, Regie: Fritz Lang) – erschossen wird.
Aus der Sammlung zu THE IPCRESS FILE stechen Ken Adams Foto-Dokumentationen des Set-Modells für die „Programming Box“, auch „Brainbox“ genannt, heraus. Einzig dieses Interieur des mit dem Flo-Master entworfenen „Albanischen Gefängnisses“ mit Kerkerzelle und Korridor entstand in den Pinewood Studios. Den magischen Kern des gebauten Sets bildet die Brainbox, ein frei im leeren Inneren eines Lagerhauses schwebender Kubus, in dem der feindliche Geheimdienst die Gehirnwäsche an dem entführten Atomphysiker, später auch an Agent Harry Palmer vollzieht. Die Brainbox ist die eigentliche Materialisierung von „Ipcress“, jenes erfundenen Akronyms, das für „Induction of Psychoneuroses by Conditioned Reflex Under Stress“ (Auslösung von Psychoneurosen durch konditionierten Reflex unter Stress) steht. Die Projektion von hyperkinetischen Bildern auf die Wände der Box und die Beschallung durch verborgene Lautsprecher sollen eine Art mentale Fernsteuerung durch Amnesie und Suggestibilität verursachen. Die Idee zu einer solchen Programming Box soll auf den Produzenten Harry Saltzman zurückgehen. Nicht nur der militärische Komplex und die Geheimdienste, sondern auch die Werbewirtschaft beschäftigte sich in den 1960er Jahren längst mit unterschwelligen Botschaften, psychomanipulativen Experimenten mit unterbewusst eingesetzten Schlüsselworten und Zeichen – und nun auch der Agentenfilm.
In 14 Fotos vom Modell ist ein leerer Raum sichtbar, das Innere der Fabrik-Lagerhalle, inmitten darin ein weißer Kubus, um den herum an Auslegerhalterungen Projektoren installiert sind, ausgerichtet auf die Außenflächen der Box. Die Fotos erproben Perspektiven in low und high angle, zeigen einen mal mehr, mal weniger auffällig durch den Ausschnitt ragenden bilddiagonalen Verlauf einer Treppe, dazu platziert sind maßstabsgerechte Miniaturfiguren im Raum, man sieht Bildvarianten seitlichen Lichteinfalls und Verschiebungen der Hell-Dunkel-Aufteilung in die Raumtiefe hinein. Der dazugehörige reale Außenschauplatz, tags in zwei Einstellungen aus Augenhöhe in einer Straßenperspektive auf Ziegelbauten der ersten Industrialisierung fotografiert, zeigt die Lagerhalle, hinter deren Mauern sich die Brainbox befindet. Fünf Abbildungen vom Äußeren und Inneren einer Yacht, die im Film nicht vorkommt, könnten auf eine Location-Suche nach einem weiteren oder alternativen Versteck bzw. Gefängnis hindeuten.
Die Antike in Matera
Zu Ken Adams Sets für einen Film nach biblischer Vorlage, KING DAVID (US, GB 1985, Regie: Bruce Beresford), finden sich Fotos archaischer Schauplätze in Süditalien, auf die Adam durch Pier Paolo Pasolinis IL VANGELO SECONDO MATTEO (IT, FR 1964) aufmerksam geworden war: Bilder der Höhlensiedlungen von Matera, Ansichten von Häusern, die in zwei Felsschluchten in Tuffstein geschlagen worden waren. Ein großformatiges A2-Album in Adams Sammlung veranschaulicht mittels einer Gegenüberstellung der Fotos von den Originalschauplätzen mit den davon inspirierten Set-Entwürfen Interpretations- beziehungsweise Rekonstruktionsvermögen in Bezug auf einen Ort, an dem die Menschheitsgeschichte seit der Altsteinzeit ihre Spuren hinterlassen hat.
20 Jahre nach THE FALL OF THE ROMAN EMPIRE (US 1964, Regie: Anthony Mann) bildete dieses Projekt den gewagten Versuch einer Wiederbelebung des Genres in der Antike spielender Monumentalfilme. Für KING DAVID war es Adam möglich, vor Ort Kulissen aufzubauen, für die Szene des Einzugs in Jerusalem Straßenumbauten vorzunehmen, eine Mauer mit Stadttor zu errichten. Werkfotos zeigen, wie in einem nahe gelegenen Steinbruch treppenförmige Plateaus entstehen und in diesem Raum von geradezu erhabener Größe, in welchem Ken Adam das Set für die Stadt der Philister anlegte, durch minoische Säulen in roter Farbe Akzente auf den hellen, sandfarbenen Ton des Terrains gesetzt sind. Den biblischen Städten wird durch zugesetztes Mauerwerk, Türme und Tore ein Eindruck von Authentizität in der Totalen gegeben.
Atelierwände in Rom und die Verbotene Stadt in Peking
Einen Blick in die Werkstatt bieten Ken Adams Fotos aus den Arbeitsräumen jenes Art Departments, das er aus Anlass der Vorarbeiten zu THE LAST EMPEROR (CN, IT, GB, FR 1987, Regie: Bernardo Bertolucci) für seinen Stab in Rom eingerichtet hatte und wo die Innenraum-Dreharbeiten stattfinden sollten. Die Wände des Ateliers, voll behängt mit Zeichnungen Adams, sind fotografisch komplett dokumentiert. Nach einem knappen Jahr endete Ken Adams Zusammenarbeit mit dem Produzenten Jeremy Thomas und Regisseur Bernardo Bertolucci vor Drehbeginn aus undurchsichtigen, auch persönlichen Gründen, und Adam wandte sich seinem Folgeprojekt, CRIMES OF THE HEART (US 1986, Regie: Bruce Beresford), zu. In seiner Fotosammlung findet sich ein Konvolut mit der Aufschrift „Contact Prints of K.A. Sketches handed over to Bertolucci, 27. Sept. 1985“.
Bei seinem Gespräch mit Christopher Frayling erwähnt Adam, dass Regisseur Bertolucci „Kopien von den Zeichnungen bekam, um sie mit seinem Kameramann Vittorio Storaro zu besprechen, und ich baute in Rom ein Art Department auf und begann zu arbeiten, ohne anständig bezahlt zu werden. [...] Als es zu einer juristischen Auseinandersetzung kam, sagte ich, dass ich nicht als Production Designer genannt werden müsste, aber zumindest in irgendeiner Form erwähnt werden wollte. Doch man sagte mir, dass Bernardo keines meiner Designs benutzt hätte, obwohl das Art Department – das nach wie vor weiter an dem Film gearbeitet hatte – mir versicherte, er hätte ziemlich viele meiner Designs verwendet. Jeremy Thomas zahlte nur einen kleinen Teil der Summe, die er mir schuldete, und das war’s. Also gingen wir letztlich in ziemlichem Unfrieden auseinander.“8 Daneben sind Abbildungen enthalten, die Adam, Bertolucci und diverse chinesische Offizielle in Vorbereitung des Projekts bei einem vermutlichen Verhandlungsessen zeigen. Darüber hinaus finden sich Fotos, auf denen Adam, die Fotokamera bei sich, in China auf Drehortrecherche zu sehen ist; während eines vierwöchigen Aufenthalts in der Volksrepublik war er mit der ersten Filmcrew unterwegs, die Zugang zur Verbotenen Stadt erhielt. „Damals, also 1985, hatten dort noch nie zuvor Filmaufnahmen stattgefunden. Der überlebende Bruder des Exkaisers Pu-Yi fungierte als unser technischer Berater, und ich werde nie vergessen, wie wir mit ihm zusammen die Verbotene Stadt betraten. Es war das erste Mal, dass er dorthin zurückkehrte, denn er hatte viele Jahre lang im Gefängnis gesessen...“9
Caligari-Touch und die deutsche Vergangenheit
Aus Anlass des Filmprojekts COMPANY BUSINESS (US, DE 1991, Regie: Nicholas Meyer), eines Agenten-Thrillers zwischen CIA und KGB, dessen Produktion vom Fall der Mauer überrascht wurde und dessen Story so aus der Zeit (eines Kalten Krieges) gefallen war, kam Ken Adam im Oktober 1989 nach Westberlin, wo der Film an Originalschauplätzen und in den CCC-Ateliers in Berlin-Spandau entstand.
Die Set-Fotografie eines Travestie-Nachtclubs veranschaulicht, wie stark Adam darin Anleihen des deutschen expressionistischen Stummfilms eingebracht hat, wie sehr ihm das Caligari-Design mit seinen unheimlichen Zerrperspektiven in Assoziation mit deutscher Vergangenheit vertraut war. Berlins Atmosphäre der 1950er Jahre, die Adam kennenlernte, als er für seine erste Zusammenarbeit mit Robert Aldrich – TEN SECONDS TO HELL (GB, US 1958) – wieder in seine Geburtsstadt gekommen war, erschien ihm wie eine Verlängerung der späten 1920er Jahre. Mit seinem Set-Design des „Resi“-Lokals knüpfte Adam nun nach der Maueröffnung an die filmarchitektonischen Entwürfe des Weimarer Kinos an. Die Fotos vom leeren Set zeigen betont ausgeleuchtete Deckenschrägen und Balken, schwer lastend und bunkerartig, und in die Tiefe gestaffelte Wand- und Deckenflächen von unterschiedlicher Helligkeit; das Lokal ist mit zeitgenössisch provokanten „Hoppla – wir leben“-Wandmalereien und -aufschriften verziert, um ein Zeitgefühl wiederaufzugreifen. Die Perspektive läuft auf einen kleinen Bühnenvorhang zu, vor dem nummerierte Rundtische mit Telefonen angeordnet sind.
Erkundungen im Rolls-Royce – Altenglische Schauplätze
Für THE MADNESS OF KING GEORGE (GB, US 1994, Regie: Nicholas Hytner), situiert im Jahr 1788, baute Ken Adam die königlichen Gemächer in den Shepperton Studios. Als Drehort des Parlaments wurde das Eton College ausgesucht.
Das Scouting der Außenschauplätze findet sich in Adams Fotosammlung, wie so oft in panoramatisch nebeneinandergesetzten Einzelfotos dokumentiert: Die spiralförmige Treppe, aufwärtsperspektivisch aufgenommen, stammt aus St Paul’s Cathedral, die Anschlussszene, in der George III. während einem seiner exzentrischen Ausbrüche auf das Dach heraustritt, findet auf der Anhöhe von Arundel Castle in der Grafschaft West Sussex statt, welches Adam für den Dreh zusätzlich mit extrahohen Schornsteinen versah. „Ich dachte mir: Wenn ich noch ein halbes Dutzend Schornsteine hinzufüge, sieht das Ganze fast so aus wie ein griechischer Tempel.“10 Zu weiteren Drehorten im georgianischen Stil zählt auch Thame Park als Kew Palace, jene nicht mehr existierende Palastklinik, in der George III. wegen seiner Geisteskrankheit behandelt worden war.
Das gezeichnete Storyboard für SLEUTH (GB, US 1972, Regie: Joseph L. Mankiewicz) stammte von Ivor Beddoes, als Designer, Maler, Tänzer, Komponist und Dichter ein Allroundtalent. Demnach sollte der Film so beginnen, dass sich die Kamera dem Schauplatz des Films, einem abgelegenen herrschaftlichen Anwesen, mit der Anfahrt einer der Hauptpersonen, Milo Tindle, gespielt von Michael Caine, über ländliche Zufahrten näherte. Anhand der Fotos in Adams großformatigem A2-Album, das neben Studien von Herrenhäusern und sie umgebenden Gartenanlagen und Hecken auch in ihrer Motivik geheimnisvolle Bilder von Fahrten zu den abgeschiedenen Häusern enthält, lässt sich ein derartiger Filmanfang gut vorstellen; doch diese Idee blieb unrealisiert.
Die Fotos, in Farbe und Schwarz-Weiß, geben die visuellen Recherchen wieder, die schließlich zur Entscheidung für das Athelhampton House führten, das in SLEUTH „Cloak Manor“ heißt. Ende des 15. Jahrhunderts in Dorset erbaut, dient es hier als Außenkulisse einer Erzählung, in der die Nobility des alten England in Gestalt eines Kriminalschriftstellers und Schlossbesitzers mit dem Abkömmling eines Zuwanderers konfrontiert wird. Die Rivalität der beiden Männer entzündet sich an beider Leidenschaft für eine Frau, die Gattin des Schriftstellers. „Cloak Manor“, als Innenraum die szenische Bühne der Handlung von SLEUTH, wurde in den Pinewood Studios als eine Einheit konzipiert, das Labyrinth als Außenschauplatz dagegen auf dem Gelände des Herrenhauses errichtet.
Jemand vom National Trust habe ihm Zugang zu allen Herrenhäusern verschafft, erzählte Ken Adam Christopher Frayling – „von Devon und Cornwall bis nach Dorset und in die Midlands“.11 Er sei nicht überzeugt gewesen von den historischen Schauplätzen, bis er Athelhampton sah; dort konnte er den im Drehbuch vorgesehenen Irrgarten neben dem Landsitz errichten. Ehe er sich an die Entwürfe des Innensets machte, das vor allem einen Continuity-Dreh ermöglichen sollte, legte er dem Regisseur Joseph Mankiewicz seine Fotos des Anwesens vor. Ein Album mit 16 Blättern erinnert mit Aufnahmen altenglischer Landhäuser und Gärten an diese Location-Recherche. Im Bild: sein weißer Rolls-Royce Silver Cloud, der Kühler seitlich im Anschnitt, in Fahrtrichtung eines von Büschen und Baumstämmen gesäumten Hohlwegs vor hellen Fahrbahnspuren, die sich mittig im Hintergrund der Aufnahme verlieren. Zwischen Pflanzenwerk, grausilbrig schillernd, fällt diffuses Tageslicht auf die Fahrspur. Eine Perspektivvariante durch die Frontscheibe lässt die Rolls-Kühlerfigur „Emily“, die „Flying Lady“, mit wahrem Namen „Spirit of Ecstasy“, am unteren Bildrand in den Ausschnitt ragen. In der Folge zu sehen sind Studien zum labyrinthischen Garten des Landsitzes, dem Außenschauplatz zu Beginn der Handlung, kunstvoll beschnittene Hecken, solide abgerundete Pflanzenkörper, gestaffelte Mahnmale im Scope-Format aneinandergeklebter Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die in den Grauwerten leicht differieren. Im kleineren Format sind Variationen in Farbe, einem diesigen Grün, hinzugefügt, die, in die Raumtiefe gerichtet, die geometrische Anordnung der Pflanzungen unterstreichen. In einer Breitwand-Landschaftstotalen aus drei Einzelkadern erstreckt sich das Vorbild des Landhauses. Die Farbfotos von dem Anwesen scheinen solche Exposition Shots zu variieren, von einer Anhöhe aus aufgenommen gleicht die eingenommene Perspektive der eines historischen Stichs oder Gemäldes. Das Herrenhaus zeigt sich vom Zugang der Gartenseite aus in kontrastreichem Morgen- oder Abendlicht, in frontaler Ansicht und im rechten Winkel dazu aufgenommen.
Fotocollagen in großformatigen Alben I – Drehortrecherche in Indien
Die Herausforderung für das Production Design bei THE DECEIVERS (GB 1988, Regie: Nicholas Meyer) bestand vor allem darin, Orte zu finden und Räume zu schaffen, in welchen sich die Atmosphäre Indiens im Jahr 1825 vermittelt. Ein britischer Kolonialoffizier, gespielt von Pierce Brosnan, klärt an Reisenden verübte Raubmorde einer Sekte auf, die der Todesgöttin Kali gehorcht. Fotos aus einem Album zu THE DECEIVERS zeigen Ken Adam, der für die Location-Recherche mit einem Art Director, einem Requisiteur, seinem persönlichen Assistenten und seiner Frau Letizia in der Stadt Jaipur/Rajasthan und im Bundesstaat Madhya Pradesh unterwegs war. Man sieht Letizia Adam mit Einwohnern vor einem Tempelgebäude oder in der Weite einer Flusslandschaft, aufgenommen unter wechselnden Lichtverhältnissen. Auf anderen Fotos bevölkern indische Statisten in Uniformen des 19. Jahrhunderts das Set. Werkfotos ausgestatteter Innenräume, unter Baldachinen vor rötlichem Grund, Palasträume ausgelegt mit Teppichen, Kissen am Boden und farbigen Fensterflächen vermitteln Ateliersphäre vor Ort. Manche Fotos wirken wie Proben für die farbliche Abstimmung der indischen Kostüme mit den Interieurs. Manchmal scheint die Zeit der Filmhandlung mit der Gegenwart der Dreharbeit vor Ort seltsam zu diffundieren, ein Eindruck, der sich aus dem Nebeneinander on location ergibt. So finden sich sakrale Orte neben originalen dörflichen Szenen, Kälber und Hunde nebeneinander, quer übereinandergelegte Baumstämme sind zu einem massiven Zaun aufgeschichtet. Ein anderes Mal erscheint eine nächtliche Menschenansammlung auf einem ockerfarben leuchtenden Schauplatz unter Massen von Lampions.
Fotocollagen in großformatigen Alben II – Griechische Impressionen
Vom Projekt „Zorba“ (1986), das nach zehnmonatiger Preproduction aufgegeben wurde, blieb mit Ken Adams großformatigem A2-Fotoalbum über die Location-Recherche vielleicht das Beste erhalten – Vor-Ort-Studien zur Verfilmung eines Stoffes, der auf dem Roman „Alexis Sorbas“ von Nikos Kazantzakis und dessen Verfilmung ZORBA THE GREEK (GR, US 1964) von Michael Cacoyannis basiert. Bis der als Regisseur vorgesehene Robert Wise von dem Projekt schließlich zurücktrat, hatte Adam – nach der Arbeit an THE ANGRY HILLS (GB 1959, Regie: Robert Aldrich) – neuerlich Schauplätze in Griechenland erkundet und eine beeindruckende Fotosammlung angefertigt, welche die besondere Qualität seiner filmischen Vision schon in diesem frühen Arbeitsschritt bezeugt.
Zwischen dem 8. und dem 20. September 1986 sind die Fotos jener Recherche vor Ort datiert, die er in Athen und Umgebung, auf Kreta und die letzten Tage in Israel, in Akkon und am See Genezareth, aufgenommen hat: Der Kai von Piräus – im Licht des Morgens und des Nachmittags erstreckt sich die Uferlinie, und im Hafen liegt das Fährschiff nach Kreta, unter dessen Deck Adam Treppen und Kabinen fotografiert hat. Der Markt von Lavrio am Morgen – aus einzelnen Fotokadern zum Teil zu panoramatischer Breite aneinandergefügt, meist mit Vermerk der Tageszeit einer Aufnahme, um sich auf das Licht-Schatten-Spektrum eines Ortes einstellen zu können. Im Ort Chania, nach der Überfahrt erste Station auf Kreta, wird an den Fotografien vom „Katehaki Square“ spürbar, dass Adam hier einen möglichen Schauplatz als Ganzes ausloten wollte. Er erprobt verschiedene Einstellungssegmente, Gegenschnittoptionen samt aller Schattenzonen, wagt Ausblicke zwischen Bauten hindurch, auch im Panoramaformat aneinandergelegt. Es gilt, einen Ort als potenziellen Drehort in den Blick zu nehmen und wahrnehmbar zu machen.
Stavrochori auf Kreta ist ein Ort, der wie in die raue Landschaft eingelegt wirkt: Zwischen den weißen Kuben der niedrigen Häuser ziehen sich schmale Durchgänge, schon der leere Schauplatz lässt die Nachbarschaft der Dorfgemeinde spürbar werden. Dies alles hat Adam in der Morgenstimmung fotografiert. Durch die Laubkrone eines Baums fällt ein gesprenkeltes Licht-Schatten-Muster auf den Dorfplatz. Bei tiefer Sonne liegt ein Dorfweg im Schatten, dahinter ragt der helle Fels eines Gebirges auf; in schmalen Gassen vor geweißten Wänden der Tavernen sitzen Männer. Adam studiert fotografisch Wegperspektiven, lotet Bildtiefen aus. Unter den Fotoserien von Kirchplätzen, die er bei seinen Recherchen aufgenommen hat, sticht eine Komposition aus drei Einstellungen auf eine weiße Kapelle in dem Ort Epano Elounda besonders hervor. Es sind Fotos, denen ein besonderes Faible für die Reduktion auf die klare Geometrie ihres weißen kubischen Baukörpers anzumerken ist. Eine rätselhafte Ruhe der Orte teilt sich mit, die Ausgestorbenheit der Siesta-Stunden. Zwischen Häuserwänden erkennt der Betrachter die Rückenansicht einer Bewohnerin, in der Wirkung wie ein Muster für Größenrelationen. Das Leben hinter den Fassaden dieses Real-Sets scheint den Atem angehalten zu haben. Vereinzelte Menschen in Gassen und auf Wegen und Bewohner in Hauseingängen erscheinen wie Repräsentanten eines Alltagshandelns im wirklichen Leben, das sonst außerhalb leerer Schauplätze, hinter Kulissen fungibler Bühnen einer künstlichen Aktion vergessen würde.
THE ANGRY HILLS – „Best shots around noon“
Zur Zeit der beginnenden Okkupation Griechenlands durch die deutsche Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs gelangt ein US-Kriegskorrespondent, gespielt von Robert Mitchum, in Athen in den Besitz einer geheimen Personenliste griechischer Widerstandskreise, die er dem britischen Geheimdienst überbringen soll. Er wird verwundet, von Bauern versteckt, gesund gepflegt, eine Romanze beginnt … Neben den Innenaufnahmen in den MGM-Elstree-Studios bilden Athen, der Hafen von Piräus und die Berglandschaft in der Umgebung die wesentlichen Originaldrehorte von THE ANGRY HILLS.
1958 ist Ken Adam zur Location-Recherche in Griechenland, die fotografische Ausbeute zeigt erstaunliche Funde von unterschiedlichstem Charakter: Da gibt es in variierender Panoramabreite gehaltene Kompositionen der Bucht von Piräus, Aufsichten aus leicht verschobenen Distanzen; in einem Altstadtviertel Athens hat sich Adam vor einer Hausfassade mit einem Maßstab aufnehmen lassen – ein möglicher Drehort ist in seinen Dimensionen zu erfassen; auch finden sich Studien, die von einem nahezu ethnografischen Blick des Fotografen zeugen, wie die Aufnahmen alten Schmiedehandwerks in schattigen Werkstätten, die zu einem belebten Marktplatz hin geöffnet sind – „Best shots around noon in summer – for crowds shoot on sundays“, lautet Adams Anmerkung, auf Schattenzonen wird besonders hingewiesen. Beim Blick auf die Gebirgsdörfer liegt seine Konzentration auf Landschaftstotalen, aber ebenso auf der Präsenz und dem Eindruck einzelner Einheimischer: Menschen erscheinen wie Passanten, Repräsentanten eines provisorischen Daseins in den Kulissen ungleicher zeitlicher Tiefe – Lebensgeschichte, Menschenalter, Erdzeitalter.
Eine besondere, detailorientierte Aufmerksamkeit lag anscheinend der Entstehung einer Fotoreihe mit dem Titel „Village House“ zugrunde: Diesen eingegrenzten Schauplatz, Innenhof eines Bauernhauses in einem attischen Gebirgsdorf, hat Ken Adam quasi im Vorgriff auf die spätere Kamerainszenierung filmisch segmentiert. Er probierte Perspektiven gleichsam aus und ergänzte sie mit ihren jeweiligen fotografischen „Referenzen“, die dieses Real-Set in rechtwinkligen beziehungsweise 180°-Umschnitt-Anschlusseinstellungen zeigen, mit schönem Augenmerk auf am Ort gefundenen Objekten aus Stein, Eisen, Holz oder auch Wäschestücken auf der Leine – Dinge, die wie Orientierungsmarken inmitten des Schauplatzes fungieren. Mitunter werden Einstellungen durch Fenster- oder Toröffnungen erprobt, Tiefenwirkungen, auch niedrige Perspektiven, unterschiedliche Einstellungsgrößen oder Verschiebungen von Fassadenkompositionen. Der Filmschnitt legt die Bilder einzeln vor, in unterschiedlicher zeitlicher Dauer, nimmt sie weg, um sie durch andere zu ersetzen; angesichts der Fotos vom Schauplatz indessen vermag man sich vorstellbare Kombinationen durchzuspielen.
Der Reiz dieser filmischen Zerlegung des Raums liegt vielleicht darin, dass die Fantasie beim Betrachten, eine Energie, an solchem Ort von Bildkader zu Bildkader angereichert, frei schweben und flottieren kann. Zugleich steht sie immer auch in Korrespondenz mit einem Gewinn an Orientierung innerhalb des avisierten Szenenraums, der dekomponiert und rekomponiert erscheint zugunsten einer elaborierten Szenerie, die man in all den Einstellungen in jenem Raum wiedererkennen kann. So öffnet sich dem Blick der potenzielle Schauplatz eines erst noch zu drehenden Films, der im Rückblick von diesem Ort womöglich gar keinen Gebrauch gemacht hat.
Ken Adams fotografisches Universum
Das Genre jener Fotos, in denen sich die Schauplatzsuche, die vorbereitende Sondierung möglicher Drehorte ausgiebig dokumentiert, ist in der Auswahl zahlreich vertreten und aufgrund der eigenständigen ästhetischen Qualität dieser Fotos, dem in diesen Bildern sichtbaren Formbewusstsein, dem Akzent auf Perspektivik und Komposition, hier insbesondere am Schauplatz Griechenland („Zorba“, THE ANGRY HILLS), an den prominent recherchierten Gegenden in Chicago und Umgebung (PENNIES FROM HEAVEN) oder auch auf der Suche nach altenglischen Landsitzen (SLEUTH) in dieser Darstellung absichtsvoll exponiert. Manche Fotosequenzen sind mit dem „historisierenden“ Auge im Hinblick auf die Gestaltung eines period picture aufgenommen, mit dem Sinn dafür, sich inspirieren zu lassen beziehungsweise an gegebenen Orten mit überschaubarem Aufwand den vorgestellten historischen Schauplatz zu erschaffen, etwa für die biblischen Stätten von KING DAVID in Matera. In großformatigen A2-Alben sind Projekte wie dieses, aber auch SLEUTH, THE DECEIVERS oder (unrealisiert) „Zorba“ dokumentiert, wobei Ken Adam durch die gelungene Anordnung seiner Fotos, deren Betrachtung sowohl in ihrer Konstellation als auch ihrer möglichen filmischen Sukzession, den Bildern etwas hinzufügt, sie im Kontext stärker zur Geltung kommen lässt. So zeigt sich das materiale bildräumliche Fundament eines zukünftigen Films.
Womöglich noch zahlreicher in Adams Sammlung vertreten – und als Dokument des Prozesses einer Filmproduktion von anderem Quellenwert – sind die Set Stills, in denen der ausgewählte, gestaltete beziehungsweise komplett gebaute Schauplatz als Bühne des Geschehens für sich festgehalten ist, oft als Dokument des fertiggestellten Sets. Auch hier stechen die Interieurs und die in verschiedenen Perspektiven und Einstellungsgrößen aufgenommenen Straßenansichten für PENNIES FROM HEAVEN mitsamt den integrierten zeitgenössischen Motiven aus Malerei und Fotografie, deren Transkription in Film, hervor. Die Werkfotos, die dem Production Design gelten, illustrieren Baustadien (wie in sogenannten Construction Stills zu KING DAVID), zeigen Gewerke (etwa den Galeerenbau für HELEN OF TROY), setzen zentrale Requisiten ins Bild (besonders die historischen Segelschiffe der Abenteuerfilme, die futuristisch überhöhten Objekte der Bond-Welt, vor allem in THE SPY WHO LOVED ME und MOONRAKER), dokumentieren aber auch belebte, voll ausgeleuchtete Sets mit Statisten, Mikros und technischem Stab, darunter Akteure mit dem Regisseur. Zu DR. STRANGELOVE (GB, US 1964, Regie: Stanley Kubrick) finden sich diverse War-Room-Set-Fotos, daneben auch Slim Pickens, rittlings auf der Bombe; vielfach abgebildet ist der farbabgestufte Pyramidalbau in MOONRAKER (GB, FR 1979, Regie: Gilbert Lewis), der bizarre Drax-Komplex, über den sich gleichsam Einblicke ins Innenleben eines Megalomanen bieten, stilsicher angeordnete Fotos eines Szenenbildes „Zero Satellite“ mit dem Vermerk „never shown in film“. Der Meister im Vordergrund inmitten seines Sets, das er derart quasi visuell signiert – solch ein typisches Motiv findet sich prominent für DR. STRANGELOVE ebenso wie für MOONRAKER und auch für YOU ONLY LIVE TWICE (GB, US 1967, Regie: Gilbert Lewis), wo sich hinter Adam, vorn am Boden hockend, die überdimensionale Rundarchitektur des „Volcano Lair“ erhebt, für das ein eigenes Studio errichtet worden war.
Einen prominenten Stellenwert in der Sammlung besitzt das Genre der Fotos, die als „Personal Still“ bezeichnet werden und sich oft überschneiden mit Porträts bei Dreharbeiten beziehungsweise Impressionen von Schauspielern und Stab in den Pausen, in drehfreier Zeit, hier etwa an Mittelmeerstränden in Italien oder Griechenland. Man begegnet Sean Connery (THUNDERBALL), Robert Siodmak unter anderem mit Burt Lancaster (THE CRIMSON PIRATE), Irving Berlin und Raoul Walsh bei CAPTAIN HORATIO HORNBLOWER, Robert Aldrich mit Robert Mitchum in den Drehpausen von THE ANGRY HILLS. Von dem Jahr 1951 an, dem Beginn der Dreharbeiten zu THE CRIMSON PIRATE, finden sich gleichsam hingerissene, aus spürbarer Verliebtheit geschossene Starfotos von Letizia Moauro, ab 1952 Letizia Adam.
Im Kontext der Arbeit an DR. STRANGELOVE entstanden auch Porträtfotos von Ken Adam, die teilweise von Stanley Kubrick aufgenommen wurden (vereinzelt mit dem von ihm auch im Szenenbild favorisierten „Source Lighting“, also der Neigung, Lampen als Lichtquellen innerhalb des Bildausschnitts zu nutzen). In der Sammlung finden sich etwa Bilder des am Tisch zeichnenden Ken Adam oder Adam wie er direkt in die Kamera blickt, entspannt und mit hochgelegten Beinen neben dem Drehbuchautor Terry Southern in Kubricks Räumen in Shepperton. Daneben gibt es einige Porträtaufnahmen von Kubrick, seinem oft versonnenen, verinnerlichten Gesichtsausdruck, Fotos, die Adam bei sich zuhause in der Montpellier Street in South Kensington geschossen hat. Beide Männer fotografierten mit ein und derselben Kamera – einer Olympus PEN-D, die der Regisseur seinem Production Designer während der Vorbereitungen des Films geschenkt hatte.
Fotos, durch die sich der Blick ins Atelier öffnet, entstanden daheim in London, aber auch in den Art Departments vor Ort, in den indischen Interieurs von THE DECEIVERS oder im römischen Atelier zu THE LAST EMPEROR angesichts der mit Zeichnungen behängten Wände. Die Sammlung enthält überdies eine Vielzahl fotografischer Dokumente von Zeichnungen, so findet sich ein ganzer Ordner voller Gadget-Entwurfsfotos zu THE SPY WHO LOVED ME sowie ein Konvolut fotografierter Grafiken zu MOONRAKER. Abfotografierte Set-Modelle zu PENNIES FROM HEAVEN nehmen hier wiederum eine Sonderstellung ein, ebenso die fotografisch dokumentierten gemalten Fassaden, beide aus unterschiedlichen Blickwinkeln und mit verschiedenen Unschärfebereichen.
In der rückblickenden Überschau vermischen sich die Gattungsgrenzen all der Bilder, die sich in Ken Adams fotografischer Sammlung befinden – da gibt es die Location Stills, Location-Scouting-Aufnahmen, Set Stills, Werkfotos rund um die Arbeiten am Set, aber auch im erweiterten Sinn als Dokumente aller Tätigkeiten am Drehort, sowie die Personenaufnahmen, Personal Stills, nicht weit von Bildern entfernt, die ins Private übergehen. Sie bündeln sich in drei persönlichen Alben, die auf Letizia und Ken Adam konzentriert sind, an Urlaubsorten, im Werkambiente und im Porträt. Zu manchen Filmen finden sich Momentaufnahmen von einer gedrehten Filmeinstellung selbst, unweit der Kameraperspektive festgehalten. Einen beträchtlichen Bestand bilden jene Fotos, die Werkstatteindrücke wiedergeben, Einblicke in die Entwurfssphäre bieten, und noch zahlreicher sind andere, deren Funktion primär darin besteht, Zeichnungen, Grafiken und Set-Modelle zu dokumentieren. Dazu gehört Ken Adams 1981/82 geschaffenes Modell eines Breitwandkinos für die 20th Century Fox in Los Angeles, das unrealisiert gebliebene „Special Project“ eines flexiblen Veranstaltungskomplexes für Vorführungen im IMAX-Verfahren, ein Gebäude, dessen Äußeres an Raumstationen und Ufos denken lässt.
Über 40 Titel sind es, darunter eine Oper, eine Millenniumsausstellung, vereinzelte unrealisiert gebliebene Projekte, zu denen das Ken Adam Archiv fotografische Bestände enthält: Fotoabzüge und -negative unterschiedlicher Formate, Kontaktbögen, Ausdrucke und großformatige Alben. Nicht allein im Verhältnis zu seinen zeichnerischen Entwürfen sind sie von großer Aussagekraft: Neben Einblicken in das Filmbilduniversum eines der bedeutendsten Production Designer der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ermöglichen diese Werkdokumente vor allem eines – die Entdeckung Ken Adams als Fotografen.